Vereinstalk mit Tim Frohwein
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Vereinstalk #3 – Wie ein Soziologe auf den Amateurfußball blickt

Wer sich näher mit dem deutschen Amateurfußball beschäftigt, stößt früher oder später auf den Namen Tim Frohwein. Das liegt weniger daran, dass er seit rund 20 Jahren beim FC Dreistern München spielt: Der Soziologe erforscht das Thema seit einer Dekade wissenschaftlich.

Seine Erkenntnisse behält er nicht für sich, sondern sendet sie auf vielen Kanälen in die Sportwelt: als Hartplatzhelden-Kolumnist, als Veranstalter der Reihe Mikrokosmos Amateurfußball, als Redaktionsmitglied des Zeitspiel-Magazins und als gefragter Gastautor, unter anderem für so renommierte Blätter wie die “Zeit”.

Wir haben mit ihm über die Relevanz des Amateurfußballs gesprochen und darüber, inwiefern diese bedroht ist.

Hallo Tim. Du setzt dich seit Jahren wissenschaftlich mit dem Amateurfußball auseinander. Bevor wir zu der Frage kommen, warum das Feld so interessant ist: Was verstehst du denn unter “Amateurfußball”?

Mit dem „Amateurfußball“ meine ich den verbandlich organisierten Fußball unter dem Dach des DFB bzw. der verschiedenen Fußball-Landesverbände, abzüglich der 3. Liga. Das ist der Bereich, der in meiner Forschungs- und journalistischen Arbeit im Fokus steht. Allerdings hat sich durch eben die Ergebnisse dieser Arbeit gezeigt, dass auch der Amateurfußball noch unterteilt werden kann: in einen unterklassigen und einen höherklassigen bzw. leistungsorientierten Amateurfußball. Die Grenze zwischen diesen beiden Kategorien bildet nach meinen Untersuchungen die 6. oder die 7. Liga.

„Bunte Ligen“ übrigens, in denen Freizeitfußballmannschaften gemeldet sind und gewissermaßen auch Amateurfußball gespielt wird, habe ich mir bislang nicht angeschaut. Das ist aber sicherlich auch ein spannender Bereich, der mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

Tim Frohwein

Wie kamst du zu diesem Forschungsfeld und warum ist insbesondere der unterklassige Amateurfußball so relevant?

Angefangen hat alles mit meiner Diplomarbeit im Jahr 2011. Darin wollte ich untersuchen, wie Amateurfußballer ihr soziales Netzwerk im Verein nutzen. Also, inwiefern sie dort Hilfe bei der Job- oder Wohnungssuche oder zum Beispiel emotionale Unterstützung erhalten. Als Spieler eines unterklassigen Vereins hatte ich in diesem Zusammenhang natürlich selbst viel mitbekommen – und wollte dann eine Umfrage durchführen, um herauszufinden, wie das in anderen Vereinen läuft.

Ein Nebenbefund der Umfrage war damals, dass Amateurkicker, die bezahlt werden, die geselligen Begleiterscheinungen des Amateurfußballs weniger wertschätzen als ihre unbezahlten Mit- oder Gegenspieler. Ein spannendes Ergebnis, das auch viele Medien aufgegriffen haben. Das hat mich auf jeden Fall motiviert, gerade diesen unterklassigen Amateurfußball weiter zu beobachten – journalistisch wie wissenschaftlich. Übrigens heute, zehn Jahre später, beschäftigt mich das Thema Geld im Amateurfußball immer noch: Im Januar werden die Ergebnisse einer großen deutschlandweiten Umfrage erscheinen, die ich zusammen mit Journalisten der ARD-Dopingredaktion durchgeführt habe.

Tim Frohwein

Glaubst du, dass der Amateurfußball die von dir geschilderte Relevanz auch in Zukunft noch hat? Anders gefragt: Welche Entwicklungen bedrohen den Amateurfußball?

Ich mache mir Sorgen, dass der Fußball ganz allgemein immer mehr an Bedeutung verliert. Das wäre sehr bedauerlich, weil dieser Sport es wie kein zweiter in Deutschland schafft, Menschen unterschiedlicher sozialer, kultureller oder ethnischer Herkunft zusammenzubringen – auf der Bezirkssport- oder Dorfanlage sogar noch stärker als im Profistadion.

Im Amateurfußball zeigt sich seit Jahren ein starker Rückgang im Nachwuchsbereich. Dazu gibt es immer weniger Schiedsrichter und Menschen, die sich in Amateurvereinen ehrenamtlich engagieren wollen. Marode und veraltete Sportstätten – das sehe ich jeden Dienstag im Training – kommen noch obendrauf. Wenn man es dramatisch ausdrücken möchte, könnte man fast sagen: Der Amateurfußball ist aktuell ein einziger Mangelzustand.

Tim Frohwein
Heruntergekommener Sportplatz von oben

Tim Frohwein: "Der Amateurfußball ist aktuell ein einziger Mangelzustand."

Wie konnte es aus deiner Sicht dazu kommen?

Die eine richtige Antwort darauf gibt es nicht. Aus meiner Sicht hängt das schwindende Interesse am Amateurfußball zum Beispiel mit einem gesellschaftlichen Wertewandel zusammen, der Vereinszugehörigkeit und -engagement unattraktiver erscheinen lässt. Aber auch mit veränderten Freizeitmöglichkeiten durch digitale Angebote oder der Ausdehnung der Schulzeit. Darüber hinaus haben die immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung des Profifußballs sowie die internen Probleme und vermutlich auch Versäumnisse des DFB sicherlich auch einen Beitrag zum Popularitätsverlust geleistet. Ich bin selbst junger Vater – ich weiß nicht, ob meine Generation dasselbe Ausmaß an Fußballbegeisterung an ihre Kinder weitergibt, wie wir das vielleicht noch von unseren Eltern mitbekommen haben.

Tim Frohwein

Erhalten die Vereine aus deiner Sicht ausreichend Unterstützung, um die genannten Probleme zu bewältigen?

Da gibt es sicherlich Verbesserungspotenzial. Was ich aber bei der Online-Diskussion „Rettet die Amateure“, die ich vor kurzem moderiert habe, mitbekommen habe: Die Bandbreite der Probleme im Amateurfußball ist groß, fast jeder Verein ist von der Krise irgendwie anders betroffen. Also helfen zentrale Maßnahmen nicht immer. Aus meiner Sicht wäre eine offene Austauschplattform, eine Art Forum für Amateurfußballvereine daher sehr nützlich: da könnte man sich mit anderen Vereinsvertreterinnen und Vertretern austauschen und nach Lösungen für eigene Probleme suchen. Ich finde es seltsam, dass es so etwas noch nicht gibt.

Tim Frohwein

Während der Corona-Zeit haben viele Fußball- und weitere Sportvereine mit digitalen Möglichkeiten experimentiert und zum Beispiel Online-Trainings angeboten. Gleichzeitig ist das Bild des Kindes, das vor der Playstation sitzt, statt sich beim Vereinssport zu bewegen, sehr populär. Ist die Digitalisierung aus deiner Sicht mehr Fluch oder Segen für Sportvereine?

Ich denke, man sollte technische Entwicklungen immer auch kritisch hinterfragen, dabei aber sachlich bleiben. Das gilt natürlich auch für die Digitalisierung. Aber der Amateurfußballverein der Zukunft wird eine hybride Organisation sein, da bin ich mir sicher. Er wird analogen und virtuellen Sport anbieten; digitale Kommunikationsmedien werden für die interne Organisation und das soziale Miteinander sehr wichtig sein. Ich glaube, Corona war hier – wie in vielen anderen Gesellschaftsbereichen auch – ein Beschleuniger: Die Menschen haben sich der Digitalisierung stärker geöffnet, vertrauen digitaler Technik teilweise mehr als vor der Krise.

Und wer ein Problem mit eSport hat, der sollte es einfach als das neue Kartenspielen betrachten. So habe ich das neulich mal in einer Kolumne ausgedrückt und dafür einige positive Rückmeldungen bekommen.

Tim Frohwein

Du kickst ja selbst beim FC Dreistern München. Welche Position spielst du denn?

Ich spiele am liebsten im zentralen Mittelfeld. Das liegt auch an den Schnelligkeitsdefiziten, die ich mit 38 mittlerweile habe. Aber prinzipiell liebe ich es einfach, auf dem Platz zu stehen – ich hoffe, ich kann das noch sehr lange machen. Zur Sicherheit habe ich deshalb auch schon mal das Amt des Spielertrainers bei unserer Ü32-Mannschaft übernommen.

Tim Frohwein

Wann dürfen wir deinen Verein unter den Vereinsticket Nutzern begrüßen? 😉

Bei uns im Verein stehen wir, wie andere Vereine auch, aktuell vor ziemlich großen Herausforderungen. Ich denke, euer Angebot ist eine Möglichkeit, mit der wir uns auf jeden Fall auseinandersetzen sollten.

Tim Frohwein

Lieber Tim, wir danken dir vielmals für deine Zeit und das Interview. Alles Gute und bleib gesund!

Vereinsticket erleichtert Sportvereinen aller Sportarten die Organisation: Die Funktionen reichen von einer Mitgliederverwaltung über eine Trainingsplanung mit termingebundener Kommunikation bis hin zu der Möglichkeit, Einzel- und Dauerkarten online zu verkaufen. Für Amateurvereine ist die Nutzung komplett kostenfrei. Weitere Informationen finden Vereine hier, zudem legen wir dir unsere 1:1 Sessions ans Herz. Darin stellen dir unsere Club ManagerInnen das System Schritt für Schritt vor.

  • Club Managerin Emma
  • Club Manager Alexander
  • Club Manager Philipp
  • Club Manager Ramon


Fußball, Interview, Digitalisierung, Vereinstalk

Patrick Hausen Patrick Hausen

Patrick Hausen | CMO

Als Kind hat Patrick im Verein geturnt, regelmäßig das Sportabzeichen abgelegt und Fußball gespielt. Letzteres versucht er auch heute noch; meistens in der AH, ab und an in der zweiten Mannschaft des FC Könen. Der Politikwissenschaftler interessiert sich vor allem für die gesellschaftliche Bedeutung von Sportvereinen. Er liebt es, spannende Personen aus dem organisierten Sport zu interviewen und deren Wissen in Form unserer “Vereinstalk”-Reihe an Interessierte weiterzugeben.
Patrick Hausen

Patrick Hausen | CMO

Als Kind hat Patrick im Verein geturnt, regelmäßig das Sportabzeichen abgelegt und Fußball gespielt. Letzteres versucht er auch heute noch; meistens in der AH, ab und an in der zweiten Mannschaft des FC Könen. Der Politikwissenschaftler interessiert sich vor allem für die gesellschaftliche Bedeutung von Sportvereinen. Er liebt es, spannende Personen aus dem organisierten Sport zu interviewen und deren Wissen in Form unserer “Vereinstalk”-Reihe an Interessierte weiterzugeben.
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