Interview mit Marthe-Victoria Lorenz von Klubtalent
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Vereinstalk #5 - Wie Vereine an hauptamtliche Mitarbeiter kommen

Klubtalent unterstützt Sportvereine dabei, hauptamtliche Stellen aufzubauen. Wie das Start-up auf die Idee dazu kam, welche Vorteile hauptamtliche Beschäftigte für Vereine – aber auch die Gesellschaft – haben und wie die neuen Mitarbeitenden finanziert werden können, verrät Marthe-Victoria Lorenz.

Für die Startup-Gründerin aus Berlin ist Klubtalent bereits die zweite Gründung. Mit fairplaid.org gründete sie bereits Deutschlands größte Crowdfunding-Plattform für den Sport.

Interview mit Klubtalent-Gründerin Marthe-Victoria Lorenz

Hallo Marthe. Danke, dass du dir die Zeit für unsere Fragen nimmst. Bitte stelle uns Klubtalent kurz vor – seit wann gibt es euch, wer steckt dahinter, wie kamt ihr auf die Idee und warum bezeichnet ihr euch als “For-Purpose Organisation”?

Mit Klubtalent wollen wir auf der einen Seite Vereinen helfen, mit Hauptamt ihre Visionen und Träume umzusetzen und damit ihr ganzes Potenzial zu entfalten. Ein Potenzial, welches wir als Gesellschaft gerade jetzt mehr als dringend benötigen. Auf der anderen Seite wollen wir ganz, ganz, ganz vielen Menschen die Möglichkeit bieten, sich Vollzeit und hauptberuflich für soziale Zwecke einsetzen zu können. Denn das geht meistens nicht, weil es eben nicht bezahlt wird. Das möchten wir ändern.

Entstanden ist die Idee, als ich aus meiner vorherigen Firma ausgestiegen bin und mich gefragt habe: Was würdest du eigentlich arbeiten, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Wenn du finanziell abgesichert wärst? Ich hatte damals ehrenamtlich eine Basketball-Abteilung bei Türkiyemspor Berlin aufgebaut, mich für Mädchenbasketball in Kreuzberg eingesetzt. Was mir unfassbar viel Spaß gemacht hat. In der Halle sein, mit Kindern arbeiten, Events organisieren, Finanzplanung machen. Die Arbeit ist so vielfältig und so erfüllend. Wenn man mir gesagt hätte, dass ich das den ganzen Tag machen könnte – mein Herz.

Als ich recherchiert habe, habe ich gemerkt: Es kann gehen. Bereits tausende Vereine haben hauptamtliche und damit bezahlte Kräfte. Gleichzeitig habe ich gesehen, wie vielen Menschen es so geht wie mir. 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung hat innerlich gekündigt. Die Menschen machen Jobs, die ihnen zwar die Miete bezahlen und den Kühlschrank füllen, aber die Seele zurücklässt. Muss das sein?

Entweder etwas Sinnvolles tun. Oder Geld verdienen. Warum? Warum können wir nicht beides? Es gibt über 630.000 Vereine in Deutschland, knapp 90.000 davon sind Sportvereine. Vereine, die genug Angebot schaffen können, dass tausende und hunderttausende Menschen ihren Lebensunterhalt damit verdienen können, indem sie anderen Menschen, Tieren oder der Natur helfen. Dass das die Lösung für viele unserer Probleme ist, das möchten wir mit Klubtalent zeigen.

Wir bezeichnen uns deshalb als For Purpose Organisation, weil wir zwar nicht klassisch gemeinnützig sind, aber dennoch alle Systematiken der Gemeinnützigkeit mitbringen. Wir wissen, dass Geld verdienen wichtig ist, um unsere Idee nachhaltig zu finanzieren und auch in einer gewissen Größenordnung aufbauen zu können. For Purpose stellt aber sicher, dass der Zweck immer die höchste Priorität hat und Geld lediglich Mittel zum Zweck ist.

Um das sicherzustellen haben wir uns für eine ganz neuartige Rechtsform entschieden, die gerade im Koalitionsvertrag mitverhandelt wird. Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen. Soll heißen: Klubtalent gehört mir nicht privat, ich kann Klubtalent nicht meist bietend verkaufen, nicht vererben und Gewinne müssen reinvestiert werden. Wir können aber ganz normal wirtschaften ohne die Einschränkungen, die zum Beispiel eine Gemeinnützigkeit mit sich bringen würde.

Marthe
Spruch auf Straße - gemeinsam die Welt verändern

Klubtalent ist eine For-Purpose Organisation

Das klingt spannend. Lass uns noch etwas näher auf eure Vision eingehen: Warum ist es aus deiner Sicht so wichtig, dass Menschen für gemeinwohlorientierte Arbeit bezahlt werden? Ist Ehrenamt nicht Ehrensache?

Die Frage hat mehrere Ebenen und ich möchte auf ein paar eingehen.

Erstens sehen wir das Hauptamt als Ergänzung zum Ehrenamt. Jemand, der das Kernfundament des Vereins sicherstellt, einspringen kann, entlastet, Strukturen aufbaut und so weiter. Unser Kernwert ist Balance, also Gleichgewicht. Es geht nicht um entweder Hauptamt oder Ehrenamt. Beides im Extrem ist ungesund und treibt den Verein in eine Abhängigkeit. Entweder vom Geld oder von den Personen. Es geht um Hauptamt und Ehrenamt.

Zweitens kann das Ehrenamt alleine manchmal das Überleben des Vereins nicht sicherstellen. Über 3.000 Sportvereine wurden aufgelöst, weil es keine Vorstände gab, die das Zepter übernehmen wollten. Ganze Mannschaften werden aufgelöst, weil es keine ehrenamtlichen Trainer*innen gibt, die nachfolgen. Denn Ehrenamt muss man sich leisten können. Wer Vollzeit arbeitet, Kinder hat, jemanden pflegen muss oder selbst krank ist, kann das nicht einfach so. Die Zeit fehlt dann einfach. Die Folge: Der Großteil der Vereine findet niemanden, der es machen kann. Ein Verein, der rein aufs Ehrenamt setzt, ist mit ganz heißer Nadel gestrickt. Das Hauptamt kann hier die Lücke schließen.

Außerdem können Vereine schon zeitlich nicht ihre Projekte umsetzen, die wir als Gesellschaft aber so dringend brauchen. Wie sollen neben dem normalen Spielbetrieb noch Kinderschutz- und Klimaschutz-Maßnahmen umgesetzt werden? Wie sollen Ehrenamtliche zu Arbeitszeiten in Schulen AGs betreuen? Wir haben ausgerechnet, dass ein Verein rund 3.500 Stunden braucht, um den Betrieb reibungslos ablaufen zu lassen. Rein ehrenamtlich geführte Vereine schaffen meist nur 1.000 Stunden im Jahr. Und die Vorstände finanzieren die Lücke. Mit Nicht-Umsetzung. Dann gibt es eben keinen Kinderschutz, dann werden eben keine Nachhaltigkeits-Maßnahmen umgesetzt, dann wird eben keine Halle gebaut, dann wird eben kein Rollstuhl-Team gegründet. Ist das sinnvoll?

Zuletzt möchte ich die Frage gerne noch mit einer Gegenfrage beantworten. Warum ist es so wichtig, dass Menschen für profitorientierte Arbeit, mit der wir Natur zerstören, Tiere foltern und Menschenrechte unter den Tisch fallen lassen auch noch finanziell belohnt werden? Denn genau das ist es ja, was im Umkehrschluss passiert. Sollte nicht genau das Gegenteil der Fall sein? Menschen, die anderen Menschen helfen, haben es verdient, ein gutes Auskommen damit zu haben. Dafür setzen wir uns ein.

Marthe

Und woher soll das Geld kommen, um hauptamtliche Stellen in Vereinen aufzubauen?

Sportvereine haben ein riesiges Potenzial. Ihre Mitglieder.

Wir haben ausgerechnet, dass wenn jeder Sportverein seine Beiträge um 7 Euro anheben würde, es jährlich mehr als 1,6 Milliarden Euro mehr geben würde. Warum 7 Euro? Mitgliedsbeiträge sind im Schnitt unterirdisch. Bis zu 8 Euro pro Monat – für erwachsene Mitglieder wohlgemerkt. 15 Euro pro Monat bekommen Vereine aber vom Bund für Benachteiligte aus dem Teilhabepaket. Also viel mehr, als sie meist von ihren regulären Mitgliedern einfordern. Die Mitglieder wollen das ja auch, das sehen wir an den Ansprüchen und Erwartungen, die sie stellen. Und für die sie meist auch bereit sind zu bezahlen.

Mehr Zeit heißt natürlich auch, mehr Aktivitäten, um Mitglieder zu gewinnen. Laut Ziviz Studie haben die Vereine mehr Mitglieder, die auch bezahltes Personal haben. Mehr Mitglieder heißt eben auch mehr Mitgliedsbeiträge.

Zusätzlich gibt es viele Fördergelder, Spender und Sponsoren, die nur darauf warten, ihr Geld für den guten Zweck einsetzen zu können – aber nie angesprochen werden. Das Ehrenamt hat dafür keine Zeit. Das Hauptamt schon.

Für die Anschubfinanzierung setzen wir meist auf eine 20.000 Euro - Crowdfunding-Kampagne. Das hilft, das erste Jahr anzugehen und dann gemeinsam mit den anderen Maßnahmen nachhaltig abzusichern.

Hierfür haben wir auch mit fairplaid.org eine Förder-Aktion ins Leben gerufen. Vereine, die eine hauptamtliche Stelle finanzieren möchten, erhalten bis zu 5.000 Euro Zuschuss.

Marthe

Gehen wir mal etwas konkreter auf die Vereine ein: Welchen handfesten Nutzen haben sie davon, wenn sie hauptamtliche Mitarbeitende beschäftigen?

Nummer eins: das Überleben sicherstellen. Denn das Ehrenamt wird weiter schwinden.

Nummer zwei: die Entlastung der Ehrenamtlichen. Wir haben Ehrenamtliche, die 20 bis 30 Stunden neben dem Vollzeitjob ehrenamtlich arbeiten. Die sind komplett überlastet, stehen kurz vor dem Burnout. Das Ehrenamt soll aber Spaß machen und ein gesundes Pensum haben. Das schaffen Vereine, indem die Ehrenamtlichen auch mal abgeben können.

Nummer drei: es können Aufgaben umgesetzt werden, die nur zu Tageszeiten stattfinden. Zum Beispiel in Schulen gehen und AGs durchführen, mit Sponsoren sprechen, Termine mit den Ämtern machen, Lobby-Arbeit vorantreiben, Termine mit Sponsoren machen.

Nummer vier: mehr Geld. Denn Vereine, die professionell aufgestellt sind, bekommen auch sehr viel mehr Gelder. Sie strahlen mehr Vertrauen auf Geldgeberinnen aus, sind besser organisiert, besser geplant und können strukturierter an Sponsoren, an Geldgeber, an Fördergeber, an Spender herantreten. Die Anschubs-Investition lohnt sich nach hinten raus deshalb meist um das Zehnfache.

Marthe
Menschen kalkulieren

Die Investition in hauptamtliche Stellen lohnt sich für Vereine

Und was genau bietet ihr Vereinen an – wie helft ihr ihnen konkret dabei, hauptamtliche Stellen aufzubauen?

Wir beraten und begleiten die Vereine bei diesem Weg. Die meisten wissen nicht, wo sie anfangen sollen, was sich alles verändert. Viele haben noch nie ein Unternehmen geleitet oder eine Führungsposition innegehabt. Wir schon. Wir können die genaue Anleitung liefern, die notwendige Sicherheit, die notwendigen Schritte, die zum langfristigen Erfolg führen. Vereine, die mit uns gearbeitet haben, haben bis zu 70.000 Euro mehr Budget bekommen, fünf bis zehn neue Ehrenamtliche gefunden, bis zu 100 neue Mitglieder gewonnen und vor allem viel mehr Mut gefasst. Denn wir impfen den Vorständen auch immer ein Startup Mindset mit ein, was nicht nur den Verein, sondern auch sie selbst persönlich nachhaltig weiterbringt.

Unser Herzstück ist hierbei das Hauptamt-ready Programm. Hier begleiten wir Vereine 9 Monate lang. Die Finanzierung sicherstellen, die richtige Person wählen, die Mitglieder an Bord bekommen, die richtigen Strukturen einstellen, sämtliche Anleitungen, Methoden, Vorlagen und Prozesse werden gestellt. Es macht es einfach und sicher für den Verein, den Schritt zu gehen.

Marthe

Ist euer Hauptamt-ready Programm für alle Sportvereine geeignet oder nur für Großvereine?

Im Gegenteil. Unser kleinster Verein hat 40 Mitglieder, im Dezember hat Christian von den Jade Giants seine 33-Stunden Stelle in einem 120 Mitglieder Verein angetreten. Unser größter Verein hatte 800 Mitglieder. Wir arbeiten mit Abteilungen, mit Einspartenvereinen und mit Hauptvereinen. Die Größenordnung ist dabei egal. Es geht darum, wo der Verein hin will und ob er wachsen möchte und da auch rein investieren möchte. Damit es sich auch jeder leisten kann, haben wir ein solidarisches Preismodell. Kleine zahlen weniger, Große mehr.

Marthe

Wo finden interessierte Vereinsvertreter weitere Informationen? Wohin können Sie sich wenden, wenn sie Interesse haben?

Am besten auf unserer Webseite unter klubtalent.org. Idealerweise folgt ihr uns aber auch auf Instagram und LinkedIn, dort teilen wir alle Neuigkeiten.

Wer sich mit mir persönlich verlinken möchte, schreibt mir am besten auf marthe.lorenz[at]klubtalent.org.

Marthe

Liebe Marthe, wir danken dir für das Gespräch und wünschen euch viel Erfolg mit Klubtalent!

Egal, ob du haupt- oder ehrenamtlich in deinem Verein aktiv bist: Mit Vereinsticket sparst du Zeit und Nerven. Unsere Lösungen helfen Sportvereinen bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen und der langfristigen Digitalisierung. Für Amateursportvereine ist Vereinsticket kostenfrei.


Ehrenamt, Vereinstalk, Hauptamt

Patrick Hausen Patrick Hausen

Patrick Hausen | CMO

Als Kind hat Patrick im Verein geturnt, regelmäßig das Sportabzeichen abgelegt und Fußball gespielt. Letzteres versucht er auch heute noch; meistens in der AH, ab und an in der zweiten Mannschaft des FC Könen. Der Politikwissenschaftler interessiert sich vor allem für die gesellschaftliche Bedeutung von Sportvereinen. Er liebt es, spannende Personen aus dem organisierten Sport zu interviewen und deren Wissen in Form unserer “Vereinstalk”-Reihe an Interessierte weiterzugeben.
Patrick Hausen

Patrick Hausen | CMO

Als Kind hat Patrick im Verein geturnt, regelmäßig das Sportabzeichen abgelegt und Fußball gespielt. Letzteres versucht er auch heute noch; meistens in der AH, ab und an in der zweiten Mannschaft des FC Könen. Der Politikwissenschaftler interessiert sich vor allem für die gesellschaftliche Bedeutung von Sportvereinen. Er liebt es, spannende Personen aus dem organisierten Sport zu interviewen und deren Wissen in Form unserer “Vereinstalk”-Reihe an Interessierte weiterzugeben.
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