Die Vereinsstrategen Martin Schüttler und Pascal Grüne
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Vereinstalk #4: So förderst du das Ehrenamt in deinem Verein

In einem Kommentar für den DOSB schrieb Prof. Dr. Detlef Kuhlmann kürzlich: “Ein starker Sportverein lebt von den Menschen, die sich dort ehrenamtlich auf demokratischer Basis engagieren.”

Dem mag sicher niemand widersprechen, allerdings hat sich vielleicht der eine Leser oder die andere Leserin gedacht: “Wo finde ich solche Engagierten?” Denn – so hat es Soziologe Tim Frohwein im letzten Vereinstalk-Interview ausgedrückt – es gebe immer weniger “Menschen, die sich in Amateurvereinen ehrenamtlich engagieren wollen”.

Interview mit den “Vereinsstrategen” Pascal Grüne und Martin Schüttler

Wir haben mit Pascal Grüne und Martin Schüttler vom Vereinsstrategen Podcast darüber gesprochen, wie Sportvereine ehrenamtliche Helfer finden und an sich binden können.

Martin begeisterte sich schon als Kind für Fußball, wurde Schiedsrichter und hat als FSJ-ler im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Köln gearbeitet. Nach seinem Sportmanagement-Studium in Koblenz ging er zunächst zu einer Wirtschaftsprüfung, um anschließend für fünf Jahre zu Werder Bremen zu wechseln. Dort arbeitete er im Rechnungswesen und war sowohl für den eV als auch die KGaA zuständig. Heute ist der Sportbegeisterte, der Schiedsrichter-,Trainer- und Vereinsmanager-Lizenzen aufweisen kann, für ein E-Commerce-Unternehmen tätig. Nach Feierabend produziert er gemeinsam mit seinem Kumpel Pascal Grüne den Vereinsstrategen Podcast und fährt Rennrad.

Pascal hat sein erstes Ehrenamt mit 15 Jahren übernommen und war seither in verschiedensten Positionen in Vereinen tätig, unter anderem als Trainer und als Vorsitzender. Nach seinem Master in Sportmanagement in Koblenz übernahm er die Führung eines Großsportvereins mit mehr als 2.100 Mitgliedern im hohen Norden. Seit Sommer 2021 ist Pascal im Verbandswesen tätig und kümmert sich dort um Ehrenamtsförderung. Daneben ist er als Engagement- und Prozessberater tätig und betreut Entwicklungsprozesse in Vereinen. Selbstverständlich ist er nebenbei ehrenamtlich aktiv: Pascal leitet das Mentoring Programm seines Hochschul-Alumni-Vereins und ist Trainer im Leistungssport an einem Tischtennis-Landesstützpunkt. Wenn er nicht gerade Podcasts plant oder aufzeichnet, powert sich Pascal als Triathlet aus.

Hallo Martin, hallo Pascal. Erst einmal vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Wir wollen heute über das Thema Ehrenamt sprechen und darüber, wie Vereine das freiwillige Engagement ihrer Mitglieder und HelferInnen fördern können. Vorweg aber die Frage: Wie rekrutieren Vereine ihre EhrenamtlerInnen denn traditionell und warum klappt das heute nicht mehr so gut?

Vielerorts waren und sind es Familien, die Vereine am Leben halten: Eltern melden ihre Kinder im selben Verein an, in dem sie aktiv sind. Zudem leben sie ihrem Nachwuchs das ehrenamtliche Engagement vor. Oder die Vereine rekrutieren die Eltern von Sport-treibenden Kindern, zum Beispiel als TrainerInnen oder um bei Veranstaltungen zu helfen, Fahrdienste zu übernehmen und so weiter.

Pascal

Das Problem daran ist, dass das keine richtige Strategie ist und dass dieses Vorgehen heute schwieriger ist als früher. Viele junge Menschen ziehen nach ihrem Schul- oder Hochschulabschluss in eine andere Stadt oder gehen ein Jahr ins Ausland.

Auch Erwachsene sind mobiler, müssen beispielsweise berufsbedingt häufiger umziehen oder schlicht länger arbeiten als noch vor ein paar Jahren. Hinzu kommt der Trend zur Individualisierung: Menschen streben nach Selbstverwirklichung, probieren verschiedene Freizeitbeschäftigungen aus und sind stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen.

Martin

Was bedeutet das für Vereine, die auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen sind?

Sie dürfen sich nicht zurücklehnen und darauf warten, dass sich von selbst genug Ehrenamtliche finden. Stattdessen müssen sie eine Strategie entwickeln, um Leute zu finden. Das bedeutet heute eben nicht zu sagen: “Wir brauchen Hilfe.” Vielmehr sollten Vereine potenziellen ehrenamtlichen Helfern attraktive Herausforderungen anbieten, die diese mit einem gewissen Freiraum bearbeiten können. Dazu muss aber zuerst einmal innerhalb des Vorstands geklärt werden, welche “Stellen” zu besetzen sind. Diese aussagekräftigen Ehrenamts-Stellenprofile sollten dann möglichst positiv nach außen kommuniziert werden. Oder anders ausgedrückt: Gib dem Ehrenamt in deinem Verein ein Gesicht und rufe das immer wieder ins Gedächtnis der Mitglieder.

Martin
Jugendfußballtrainer

Tipp von Vereinsstratege Martin Schüttler: "Gib dem Ehrenamt in deinem Verein ein Gesicht und rufe das immer wieder ins Gedächtnis der Mitglieder."

Angenommen, ein Verein findet Leute, die sich ehrenamtlich einbringen wollen. Wie sollten diese aufgenommen werden?

Jeder kennt doch das Gefühl, “neu” zu sein. Das ist nicht immer schön. Deswegen sollten Vereine es Neuankömmlingen so einfach wie möglich machen, sich zu integrieren. Sie sollten eine eigene Willkommenskultur entwickeln und den Neuen das vereinsinterne Verständnis von Vereinsarbeit näherbringen, um Missverständnissen vorzubeugen.

Ganz wichtig ist es auch, dass niemand den Eindruck bekommt, dass es im Verein exklusiv zugeht. Wer Ehrenamtliche sucht, muss dies transparent kommunizieren, potenziellen Freiwilligen die Kontaktaufnahme so leicht wie möglich machen und vor allem achtgeben, dass der Umgang mit den Neuankömmlingen wertschätzend ist. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn jemand erst mal vergeblich nach der Telefonnummer des Vorsitzenden suchen muss, sich dann durchfragt und dabei auch noch genervte Kommentare erntet.

Ein Tipp aus der Praxis, der sich bewährt hat: Stelle eine Willkommensmappe zusammen, in der die wichtigsten Fakten und Ansprechpartner aufgelistet sind. Gut an kommt es auch, wenn neue Ehrenamtliche gleich zu Beginn mit Vereinskleidung ausgestattet werden.

Achte bei alldem aber darauf, keinen Druck zu erzeugen. Schließlich bringen sich die Ehrenamtlichen freiwillig und in ihrer Freizeit ein. Das sollten sie in dem Rahmen machen können, für den sie sich interessieren und der zu ihrer jeweiligen Situation passt. Vielleicht übernimmt der junge Vater künftig noch mehr Aufgaben, wenn seine Kinder größer und nicht mehr so oft zuhause sind.

Warum nicht Aufgaben trennen und flexible Teams bilden, die diese bearbeiten können? Niedrigschwellige Eintrittsangebote erhöhen jedenfalls die Chance, dass sich Freiwillige einbringen. Und wenn es ihnen Spaß macht, bleiben sie idealerweise dabei.

Pascal

Gute Überleitung zu unserer nächsten Frage: Wie können Vereine es denn schaffen, Ehrenamtliche dauerhaft “bei der Stange” zu halten?

Kurz gesagt: Vereine müssen sich um die Basics kümmern und den Engagierten Wertschätzung und Mehrwert bieten. Mit den Basics meine ich zum Beispiel, dass Dinge wie der Versicherungsschutz geregelt sind. Dazu sollte auch gehören, dass Ehrenamtliche kein privates Geld für den Verein ausgeben müssen – Fahrtkosten sollten ebenso erstattet werden wie Auslagen für Druckerpatronen und -papier.

Wertschätzung bedeutet natürlich, einfach einmal “Danke” zu sagen, keinen Druck aufzubauen und Neuankömmlinge gebührend willkommen zu heißen. Erwähne Engagierte gebührend in der internen und externen Kommunikation, gratuliere ihnen zu Geburts- und Ehrentagen und stelle ihnen ein Ehrenamtszeugnis aus, sofern sie dies wünschen.

Zumindest für Übungsleiter besteht darüber hinaus die Möglichkeit der Übungsleiterpauschale. Der gesetzliche Freibetrag beträgt inzwischen 3.000 € im Jahr.

Die Aufwandsentschädigung für Ehrenamtliche ist auf 840€ angehoben worden. Sofern eure Satzung solche Entschädigungen nicht vorsieht, könnt ihr die Satzung natürlich anpassen.

Ein Hinweis noch an dieser Stelle: Übungsleiter können freiwillig auf die Auszahlung verzichten und im Gegenzug eine Spendenbescheinigung erhalten, die sich positiv bei der Steuererklärung auswirkt.

Martin

Pascal, du schaust, als ob du noch ein paar “Geheimtipps” auf Lager hast. Immer her damit.

Was ich tatsächlich schon mal sehr erfolgreich mit einem Verein gemacht habe: Wir haben die Lokalpolitik angesprochen, dass wir unseren Engagierten etwas Gutes tun wollen und ob sie uns dabei helfen könnten. Letztlich haben wir 200 Eintrittskarten für das örtliche Schwimmbad zu einem sehr stark rabattierten Preis bekommen und konnten unsere Übungsleiter damit überraschen.

Das funktioniert bestimmt auch bei dir, schließlich lässt sich aus Ehrenamts-Sicht gut gegenüber der Politik argumentieren: Der Nutzen für die Gesellschaft ist mit Schlagworten wie Integration, Inklusion, sozialer Kit der Gesellschaft oder Jugendförderung schnell klargemacht.

Mein letzter Tipp für die Wertschätzung des Engagements ist die Schaffung eines besonderen Erlebnisses, das sich nicht mit Geld kaufen lässt. Führe eine exklusive Veranstaltung für deine Engagierten durch. Es ist ziemlich egal, was du machst – Wanderung, Kanutour, Besuch eines Bundesligaspiels – wichtig ist nur, dass wirklich nur die Ehrenamtlichen dabei sein dürfen. Sie sollen sich dabei besonders und wertgeschätzt fühlen.

Pascal

Lieber Pascal, lieber Martin, wir danken euch vielmals für die wertvollen Tipps und wünschen euch frohe Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr!

Dir, lieber Leser, legen wir die Ehrenamt-Rubrik des Vereinsstrategen Podcasts ans Herz. Darin erhältst du noch viele weitere wertvolle Tipps, die deinen Verein voranbringen.


Ehrenamt, Vereinstalk

Patrick Hausen Patrick Hausen

Patrick Hausen | CMO

Als Kind hat Patrick im Verein geturnt, regelmäßig das Sportabzeichen abgelegt und Fußball gespielt. Letzteres versucht er auch heute noch; meistens in der AH, ab und an in der zweiten Mannschaft des FC Könen. Der Politikwissenschaftler interessiert sich vor allem für die gesellschaftliche Bedeutung von Sportvereinen. Er liebt es, spannende Personen aus dem organisierten Sport zu interviewen und deren Wissen in Form unserer “Vereinstalk”-Reihe an Interessierte weiterzugeben.
Patrick Hausen

Patrick Hausen | CMO

Als Kind hat Patrick im Verein geturnt, regelmäßig das Sportabzeichen abgelegt und Fußball gespielt. Letzteres versucht er auch heute noch; meistens in der AH, ab und an in der zweiten Mannschaft des FC Könen. Der Politikwissenschaftler interessiert sich vor allem für die gesellschaftliche Bedeutung von Sportvereinen. Er liebt es, spannende Personen aus dem organisierten Sport zu interviewen und deren Wissen in Form unserer “Vereinstalk”-Reihe an Interessierte weiterzugeben.
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