
Vereinstalk #14: Probleme von Sportvereinen in Ballungsgebieten
Im vierten Quartal 2021 führte München die Liste der Städte mit den höchsten Mietpreisen für Wohnungen in Deutschland deutlich an: mit 19,37 Euro pro Quadratmeter, mehr als drei Euro mehr als Frankfurt am Main, das laut Statista an zweiter Stelle folgt. Was das mit dem Alltag eines Amateursportvereins zu tun hat? Unter anderem darüber haben wir mit Michael Franke gesprochen.
Hallo Michael. Wir freuen uns sehr, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Heute wollen wir mit dir darüber sprechen, welche speziellen Herausforderungen Sportvereine in Ballungsgebieten zu bewältigen haben. Zunächst möchten wir dich jedoch kennenlernen. Wann und wie bist du zum Vereinssport gekommen?
Ich war, seit ich denken kann, vernarrt in das runde Leder. Letztlich nervte ich meine Eltern damals so lange, bis sie mich mit 8 Jahren in einen Verein ließen. Dazu muss man aber wissen, dass dieses Eintrittsalter damals, also 1974, üblich war. Ich stand dann gleich bei einem Osterturnier auf dem Platz und dann gings los. Seitdem hat mich die Faszination des sozialen Phänomens Fußball nicht mehr losgelassen.
Hast du dich auch in anderen Sportarten ausprobiert oder bist du dem Fußball seit jeher treu geblieben?
Ich belegte im Gymnasium den Leistungskurs Sport. Dort war Handball die Kernsportart, die ich auch ganz nett fand. Aber es ist halt kein Fußball. Und natürlich probierte ich, wie viele, verschiedene Dinge aus. Tischtennis, Tennis oder auch Badminton. Doch am Ende blieb Fußball immer meine Leidenschaft.
Ein besonders prominenter Kicker hat bei euch das Fußballspielen gelernt. Habt ihr noch Kontakt zu Philipp Lahm?
Nachdem ich Philipp, der damals der Sohn eines Mannschaftskameraden war, quasi von Geburt an kenne, ist das eher eine ungewöhnliche Frage. Zudem ist Philipps Familie seit jeher eng mit dem Verein verbunden. Es besteht daher nach wie vor ein ganz natürlicher und normaler Kontakt zu Philipp, der auch während der aktiven Karriere nie abgerissen ist.
Ist es für euch als Verein eigentlich ein Vorteil oder eher eine Bürde, oftmals als „Heimatverein von Philipp Lahm“ bezeichnet zu werden?
In der öffentlichen Wahrnehmung ist es sicher ein Vorteil. Unser Verein wird und wurde dadurch auch immer wieder öffentlich erwähnt. Phasenweise war es aber auch problematisch, da diese Wahrnehmung auch einen gewissen Neid bei anderen Vereinen aufkommen ließ. Dabei wurden auch Gerüchte, heute würde man Fakenews sagen, verbreitet, welch hohe Mittel wir von ihm bekommen würden. Das hat sich aber mittlerweile beruhigt, so dass es jetzt schön ist, dass eine solch positive Persönlichkeit aus unserem Verein kam. Philipp ist ja auch immer noch Mitglied des Vereins und regelmäßig vor Ort.
Wir beenden unseren Exkurs in eure Vereinshistorie dann auch mal und kommen in die Gegenwart: Wie viele Mitglieder habt ihr denn aktuell und welche Angebote macht ihr diesen?
Wir haben aktuell 730 Mitglieder, die sich in derzeit 28 Mannschaften zum Großteil dem Fußball verschrieben haben. Daneben haben wir noch kleinere Abteilungen wie Damengymnastik, Stockschützen, eine Laufgruppe und eine Abteilung Zeltlager.
Und wie viele Trainer beschäftigt ihr, um das alles zu stemmen?
Insgesamt sind das rund 50 Trainer/innen und Betreuer/innen.
Fällt es euch leicht, ausreichend Übungsleiter und generell Ehrenamtliche zu finden?
Leicht war das noch nie. Aber aktuell merken wir, dass es immer schwieriger wird, die Menschen für eine unentgeltliche Tätigkeit zu begeistern.
Warum sind immer weniger Menschen bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren? Gibt es aus deiner Sicht allgemeingültige Gründe hierfür?
Über allem steht das letztlich zu geringe gesellschaftliche Ansehen der ehrenamtlich Tätigen. Diese Menschen werden oftmals eher belächelt als bewundert. Ehrenamt hat da ein Imageproblem. Zudem ändern sich die Rahmenbedingungen immer gravierender. Einerseits wachsen die regulatorischen Ansprüche an das Ehrenamt immer weiter. Stichworte Jugendschutz, Unfallschutz, Datenschutz. Zudem wachsen die direkten Ansprüche beispielsweise an Jugendtrainer/innen. Die müssen tolle Trainer sein, aber auch Pädagogen und Psychologen, die nicht nur Ihre Spieler betreuen müssen, sondern auch die Eltern der Spieler. Das überfordert die Trainer/innen oftmals am Feierabend eines Arbeitstages. Aus diesen Gründen verlieren wir auch viele Trainer/innen. Dazu kommt ein berufliches Umfeld, das grundsätzlich immer mehr Ansprüche an die zeitliche Flexibilität der Mitarbeiter stellt. Die Menschen, die zu festen Zeiten den Arbeitsplatz verlassen können, werden immer weniger. Und nicht zuletzt: In Ballungsräumen mit entsprechenden Mieten sind immer mehr Menschen auch zusätzliche nebenberufliche Einkünfte angewiesen. Bei uns heißt Ehrenamt zumindest derzeit noch komplett unbezahlt, also auch ohne Aufwandsentschädigung. Die Trainer/innen bringen sozusagen noch Geld mit. Es ist also eine sehr komplexe Gemengelage.

München - beliebt und teuer
Und welche speziellen Herausforderungen stellt München, die auf den Mietpreis bezogen teuerste Metropole des Landes, an ehrenamtliche Vereine?
Wie angesprochen erhöhen die Lebenshaltungskosten den Druck darauf, Geld hinzu zu verdienen. Das können die Vereine finanziell aber nicht leisten.
Was ist aus deiner Sicht nötig, um Sportvereinen in Metropolregionen zu helfen?
Wir brauchen mehrere Dinge. Zum einen brauchen wir eine Imageoffensive. Der Breitensport Fußball ist das größte und am besten funktionierende Sozialprojekt Deutschlands. Dieses basiert derzeit auf den Schultern von immer weniger ehrenamtlich Tätigen, die quasi in Selbstausbeutung das Rad noch am Laufen halten. Es ist absehbar, dass viele Vereine zukünftig nicht mehr das leisten können, was eigentlich in Ihnen steckt. Bis zum Zusammenbruch ganzer Vereinsstrukturen. Das Ansehen des Ehrenamts sollte sich nicht nur in Imagefilmen der Verbände wiederfinden. Wir müssen die Vereine befähigen, für lizenzierte Übungsleiter auch die Mittel zu haben, um Aufwandsentschädigungen im Rahmen der gesetzlichen Übungsleiterpauschale zu bezahlen. Das können gezielte Zuschüsse in dieser Höhe sein. Oder aber die Umlage auf die Mitgliedsbeiträge, was aber zur Vervielfachung der Beiträge führen würde. Hier wäre auch ein schöner Bereich, in dem sich Unternehmen beteiligen könnten, die letztlich von der Leistung der Vereine profitieren. Hier werden Kinder sozialisiert, erwerben soziale und Entscheidungskompetenzen, und die Integration in Teams.
Daneben gilt es zu prüfen, welche Vergünstigungen für ehrenamtlich Tätige geboten werden können, wie beispielsweise die kostenlose Nutzung des ÖPNV. Zudem muss ein Abbau der Bürokratie rund um das Thema Vereinsförderung, Bezuschussung von Infrastrukturmaßnahmen erfolgen. Was in ländlichen Gemeinden selbstverständlich ist, wird im städtischen Verwaltungsdschungel zum Albtraum.
Ehrlich gesagt könnte ich hierzu vermutlich ein ganzes Buch schreiben. Ich denke es ist kurz vor 12 für viele Vereine. Es wäre eine unglaubliche Chance vertan, wenn die Politik den Untergang des Vereinswesens in Deutschland nicht verhindern würde. Mit Taten – nicht mit Sonntagsreden.
Lieber Michael, wir danken dir für das Gespräch und deine Anregungen und drücken ganz fest die Daumen, dass der Breitensport die Lobby bekommt, die er verdient.