
Erobert “eSport” die Vereinswelt?
Neben dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) wagt sich auch der Deutsche Basketball Bund (DBB) auf das Terrain des “eSport”. Ob der virtuelle Sport als Sport anerkannt werden kann und was ihn mit traditionellen Sportarten verbindet, beleuchten wir im Folgenden.
Was ist eSport?
Der eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD), ein 2017 gegründeter Interessenverband zur Förderung von eSport, definiert den Begriff wie folgt:
eSport ist der unmittelbare Wettkampf zwischen menschlichen Spieler/innen unter Nutzung von geeigneten Video- und Computerspielen an verschiedenen Geräten und auf digitalen Plattformen unter festgelegten Regeln. Der Vergleich der sportlichen Leistung im eSport bestimmt sich aus dem Zusammenwirken einer zielgerichteten Bedienung der Eingabegeräte in direkter Reaktion auf den dargestellten Spielablauf bei gleichzeitiger taktischer Beherrschung des übergreifenden Spielgeschehens. Bezugsobjekt der sportlichen Tätigkeit sind Videospiele, die in ihrem Aufbau und ihrer Wirkungsweise den Anforderungen an die sportliche Leistungsermittlung genügen, den Spielerfolg nicht überwiegend dem Zufall überlassen und einen reproduzierbaren Spielrahmen zum Vergleich der Leistung zwischen den Spieler/innen bieten.
Vereinfacht gesagt geht es also um einen sportlichen Wettkampf mit Computerspielen. Die Regeln, nach denen die Einzelspieler oder Teams gegeneinander antreten, ergeben sich dabei einerseits aus der Software bzw. dem Spiel und andererseits aus externen Wettkampfbestimmungen. Gespielt wird auf Computern oder Spielekonsolen, beliebte Spiele sind Sportsimulationen wie die der FIFA-Reihe.
Ist eSport Sport?
Der DOSB hat im Dezember 2018 ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Dieses ging der Frage nach, ob eSport in seiner Gesamtheit zum organisierten und gemeinnützigen Sport passt. Laut Positionierung des DOSB lautet Antwort auf diese Frage “Nein”. Eine Begründung hierfür ist, dass die Unternehmen, die über Regeln, Spielformen und Inhalte bestimmen, global agierende und gewinnorientierte Unternehmen sind.
DOSB: Unterscheidung zwischen eSport und eGaming
Ein weiterer Grund für diese Entscheidung stellt der Inhalt der Spiele dar. Besonders Games wie "League of Legends", "Dota" oder "Counter-Strike" - die dem DOSB zufolge nicht dem eSport, sondern dem eGaming zuzuordnen sind – seien mit den ethischen Werten des Sports nicht vereinbar. Besonders Shooter beinhalten die Tötung des Gegners sowie deren detaillierte visuelle Darstellung.
Im Gegensatz zu dieser Spieleart erweisen sich “virtuelle Sportarten” durchaus als anschlussfähig. Hier sieht der DOSB durchaus Potenzial zur Weiterentwicklung von Vereinen und Verbänden. Das Fazit des DOSB lautet also wie folgt: “Virtuelle Sportarten” haben eine Anschlussfähigkeit zum organisierten Sport. Dahingegen erweist sich “eGaming” nicht als anschlussfähig.
DBS: eSport birgt Potenziale und Gefahren
Ähnliche Ansichten vertritt auch der Deutsche Behindertensportverband (DBS). Während er Spiele, die auf die Tötung von virtuellen Gegnern abzielen, als Sportart ablehnt, sieht er Potenzial in den “virtuellen Sportarten”.
Der DBS erkennt die Möglichkeiten der Inklusion an, die der eSport bietet. So betont er, dass eSport insbesondere Menschen mit Behinderung die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erleichtern kann. Andererseits weist der Verband jedoch auf die Gefahren des eSports hin. Videospiele sind nämlich nicht zuletzt wegen der mit ihnen einhergehenden Suchtgefahr nicht unumstritten.
Stellungnahme aus der Politik
Auch in der Politik wird eine ähnliche Position vertreten. Aus dem Positionspapier “Ehrenamtsgesetz 2021” der CDU/CSU-Fraktion geht hervor, dass die Anerkennung von eSport als Sport angestrebt wird. Allerdings beschränkt sich dies – wie vom DOSB vorgeschlagen – auch hier auf “virtuelle Sportarten”. So soll das Ehrenamtsgesetz um folgende Formulierung ergänzt werden: “E-Sports fällt unter den Begriff Sport, soweit es sich um elektronische Sportsimulationen handelt“.
Stärkere Anerkennung des eSports im Ausland
Im Ausland, insbesondere in Asien, ist eSport dagegen weit verbreitet, so die Deutsche Welle: “In Südkorea wurde bereits im Jahr 2000 mit der Korean e-Sports Association ein Dachverband gegründet, um eSport in Südkorea zu etablieren und zu verwalten. Auch in anderen Ländern wie Japan, Brasilien, den USA oder Frankreich ist eSport inzwischen eine anerkannte Sportart”. Hier erfreuen sich vor allem Spiele wie “League of Legends” oder “Starcraft 2” großer Beliebtheit.
Auch skandinavische Länder wie Dänemark, Norwegen und Schweden räumen dem eSport mehr Raum ein und betrachten sowohl die “virtuellen Sportarten” als auch das “eGaming” weniger als Problem. Dass der eSport gesellschaftlich akzeptierter ist, zeigt sich auch in den Schulen: In Dänemark werden in manchen Schulen Turniere veranstaltet und auch in Norwegen und Schweden wird eSport seit ein paar Jahren als Wahlfach angeboten.
2022 werden erstmals olympische Medaillen an virtuelle Wettkampfsieger verliehen: Das Asiatische Olympische Komitee hat eSport ins Programm für die Asienspiele aufgenommen. Welche Spiele hier auf dem Programm stehen, ist noch nicht bekannt. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur “virtuelle Sportarten”, sondern auch “eGaming” dort vertreten sein werden.
Die Zukunft des eSports in Deutschland
Es scheint so, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis eSport auch hier offiziell als Sport anerkannt wird. Hier wird das Spielen von Videospielen, die klassische Sportarten simulieren, den Vortritt haben. Unklar ist, ob und wann Spiele wie Shooter zum Sport gezählt werden. Die Entwicklungen in anderen Ländern legen jedoch nahe, dass auch dies irgendwann der Fall sein wird und dass professionelles Gaming auch in Deutschland intensiver gefördert wird.
Was hat eSport mit traditionellem Sport gemeinsam?
Obwohl eSports im Sitzen vor PC oder Konsole stattfinden, hat das professionelle Gaming mehr mit klassischen Sportarten gemeinsam, als man anfangs annehmen könnte. Im eSport sind nämlich zahlreich Fähigkeiten - sogenannte Skills – erforderlich, die auch im offline-Sport zentral sind.
eSport: zahlreiche Fähigkeiten sind entscheidend
So kommt es unter anderem auf Ausdauer, Stressresistenz und trainiertes peripheres sowie fokussiertes Sehen an. Auch Geschicklichkeit, Feinmotorik und eine gute Team-Kommunikation sind bei professionellen Videospielern stark ausgeprägt. Zudem sind Reaktions- und Entscheidungsschnelligkeit gefragt. Bis zu 480 Entscheidungen pro Minute konnten bereits beim Spielen dokumentiert werden. In vergleichenden Tests schnitten einige Profi-eSport-Spieler sogar besser ab als Piloten der US Air Force.
Die Spieler weisen beim Gamen relativ hohe Herzfrequenzen auf und machen sehr schnelle Bewegungen – bis zu ca. 400 Aktionen pro Minute. Deswegen ist ein gutes Nerv-Muskel-Zusammenspiel unerlässlich. Außerdem können Herz-Kreislauf-Reaktionen beobachtet werden, die jenen beim Elfmeterschießen sehr ähnlich sind. Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse ist Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln und unterstreicht: “Körperliche Fitness ist unserer Meinung nach Grundvoraussetzung für effizientes Spielen an der Konsole”.
eSport und Sport begünstigen sich gegenseitig
Wer im Gaming erfolgreich sein will, muss also auch körperlich fit sein. Sport verbessert nachweislich die kognitive Leistungsfähigkeit, die bei Videospielen gefragt ist. Auch Reaktion und Kommunikation sowie die Informationsverarbeitung des Gehirns können durch körperliche Betätigung trainiert werden. Das “Neuroathletik-Training”, dessen Fokus auf der Förderung des Nervensystems liegt, kann zahlreiche wichtige Fertigkeiten explizit trainieren, wie zum Beispiel das periphere Sehen.
ESport und klassischer Sport können sich also gegenseitig unterstützen. Der Sport verbessert zahlreiche Fähigkeiten, die beim Gaming benötigt werden, und verhilft Spielern zu besseren Leistungen. Andererseits können Videospiele wie “League of Legends” sich positiv auf das Gehirn auswirken, indem sie die Vernetzung verbessern. Für eSportler ist es wichtig, dass die Trainings auf die Bedürfnisse angepasst werden. Demnach muss für jedes Spiel einzeln geprüft werden, welche Fertigkeiten benötigt werden und trainiert werden sollen.
Sportverbände und -vereine öffnen sich für eSport
Mit dem “DFB-ePokal powered by ERGO” hat der Deutsche Fußball-Bund als erster Fußballnationalverband der Welt einen landesweiten Pokalwettbewerb für virtuellen Fußball ins Leben gerufen. Das erste FIFA-Duell fand am 21 November 2020 statt.
“Bundesliga Home Challenge” und “Virtual Bundesliga”
Zu Beginn des ersten coronabedingten Lockdowns fand vom 28. März bis zum 19. April 2020 außerdem die “Bundesliga Home Challenge” statt. Als die Welt des Sports weitestgehend stillstand, veranstaltete die Deutsche Fußball Liga (DFL) diese Challenge. Zahlreiche Teams der 1. und 2. Bundesliga traten in dem Spiel FIFA 20 auf der PlayStation 4 gegeneinander an.
Jeweils ein Fußballprofi und eine weitere Person aus dem Club oder dem Umfeld bildeten gemeinsam ein Team. Nun galt es zu zeigen, ob sie die Sportart auch auf dem virtuellen Fußballfeld beherrschen. Mithilfe des sogenannten “85-er” Modus wurde allen Teams die gleichen Voraussetzungen garantiert.
Die Virtual Bundesliga Club Championship, die die Deutsche Fußball Liga in Kooperation mit EA SPORTS ausrichtet, freut sich über eine Rekordbeteiligung von 26 Teams in der Saison 2020/2021. Die Teilnehmer sind der FC Augsburg, Hertha BSC, VfL Bochum 1848, Eintracht Braunschweig, SV Werder Bremen, SV Darmstadt 98, Eintracht Frankfurt, SpVgg Greuther Fürth, Hamburger SV, Hannover 96, 1. FC Heidenheim 1846, TSG Hoffenheim, Holstein Kiel, 1. FC Köln, RB Leipzig, Bayer 04 Leverkusen, 1. FSV Mainz 05, Borussia Mönchengladbach, 1. FC Nürnberg, SC Paderborn 07, FC St. Pauli, SSV Jahn Regensburg, SV Sandhausen, FC Schalke 04, VfL Wolfsburg und FC Würzburger Kickers. Während der Austragung der “Bundesliga Home Challenge” pausierte die “Virtual Bundesliga”. Hier war zum gleichen Zeitpunkt eine Präsenzveranstaltung für das Finale vorgesehen, die aufgrund der Pandemie verschoben werden musste.
Auch der DBB steigt in den eSport mit ein
Der Deutsche Basketball Bund hat sich 2020 erstmals auf das Terrain des eSport begeben. Bei den FIBA eSports Open II hat das deutsche Team sogar das Finale erreicht. Auch dieses Jahr trat das deutsche Team im Kampf um die europäische Krone an. Vom 7. bis zum 9. Mai 2021 fanden die Spiele des FIBA eSports Open III statt. Wieder einmal war die Teilnahme von Erfolg gekrönt: Deutschland erreichte den stolzen 2. Platz! Im Finale musste das siebenköpfige Team des DBB sich dann jedoch gegen die Türkei geschlagen geben.
Grundsätzlich besteht die deutsche eSport-Landschaft “je nach Spieltiteln aus unterschiedlichen Turnier- und Ligenformaten, die in Größe, regionaler Verankerung und Preisgeld deutlich variieren”, weiß der eSport-Bund Deutschland.

Beliebte eSport-Disziplin: Fußball
Amateurteams im eSport
Auch Amateurteams entdecken den eSport für sich. So hat sich jüngst an der Mosel die Esports Liga Trier gegründet. Mitspielen dürfen ausschließlich Mitglieder von Vereinen der Region. Ein Blick auf die Tabellen der Ligen Trier/Eifel, Trier/Saar und Mosel/Hochwald beweist, dass das Interesse groß ist.
Weiterhin gibt es in der Großregion Trier mit dem kürzlich eingetragenen Verein GECO - Gaming & eSports Community Trier eine Anlaufstelle für Videospiel- und eSport-Interessierte, die nicht bereits in Sportvereinen organisiert sind. Ziel der GECO ist die Schaffung einer breiten Plattform zum Kennenlernen und Austauschen über alle Arten von Videospielen, sowie die Vernetzung der lokalen Akteure. Hierdurch soll eine effektivere Organisation der regionalen und überregionalen Szene innerhalb der weiter wachsenden Branche ermöglicht werden.
eSport als Chance für Sportvereine?
Doch warum engagieren sich traditionelle Sportvereine und -verbände im digitalen Sport? Hierauf hat Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes, bereits im November 2019 eine aufschlussreiche Antwort gegeben:
Wenn der Fußballklub weiterhin für junge Menschen attraktiv bleiben will, muss er sich an den Bedürfnissen junger Menschen orientieren und die Realitäten akzeptieren, anstatt sie zu negieren und weiter stur im Gestern zu leben. Viele Kinder spielen heute nicht mehr nur Fußball auf dem Bolzplatz – und schon gar nicht mehr rund um die Uhr. Smartphones und Computer sind zum ständigen Begleiter unserer Jugend geworden, ob uns das nun gefällt oder nicht. Und deshalb ist es aus meiner Sicht eine schöne Sache, dass man unser Fußballspiel virtuell fortsetzen kann.
FIFA ist in meinen Augen letztlich nichts Anderes als das moderne Tipp-Kick! Wir unterstützen nicht jede Form von eSports, sehr wohl aber in Übereinstimmung mit dem DOSB alle Formen von virtuellen Fußball- und anderen Sportsimulationen.
Wir erkennen, dass viele unserer aktiven Fußballer und Fußballerinnen auch an der Konsole spielen und gegeneinander antreten wollen, deshalb stellt sich für uns eine ganz wichtige Frage: Schauen wir einfach zu, wie andere mit der virtuellen Spielform von Fußball Angebote organisieren und sich dort früher oder später Parallelstrukturen bilden? Oder nehmen wir es selbst in die Hand? Ich meine, wir sollten im Verein und Verband für alles zuständig sein, was mit Fußball zu tun hat und deshalb ist eFootball für uns Fußballer ein Thema! Wer das in Frage stellt, lebt an der Realität vorbei.
Es geht also letztlich darum, auf einem Kanal präsent zu sein, auf dem sich zukünftige Vereinsmitglieder aufhalten. Dass sich viele traditionelle Sportvereine mit virtuellen Spielen schwertun, ist verständlich. Schämen brauchen sie sich dabei aber keinesfalls, schließlich zeichnen sich gute Gamer durch Fähigkeiten aus, die viele “analoge” Sportler ebenfalls benötigen, zum Beispiel eine enorme Reaktionsschnelligkeit und taktisches Verständnis. Spielen mehrere Spieler gemeinsam in einem Team, müssen sie zudem über gute kommunikative und soziale Fähigkeiten verfügen.
Sportvereine, eSport, Digitalisierung